Corona Pandemie und Tourismus in Österreich
Bis Ende Februar 2020 war man der Meinung, dass der globale bzw. europäische internationale Tourismus langfristig weiter dynamisch wachsen wird. Mit Stand Anfang März 2020 hat sich die Situation durch die Corona Pandemie und den damit verbundenen Reiseverbot schlagartig verändert. Der Tourismus findet nicht mehr statt. Derzeit ist nicht absehbar, wie und bis wann diese dramatische Situation auch für die Tourismuswirtschaft überwunden werden kann.
Laut UNWTO (16 09 2020) hat sich die Zahl der globalen internationalen Touristenankünfte im gesamten ersten Halbjahr 2020 (Jänner bis Juli) um 65 Prozent oder um 440 Mio. Reisende reduziert, was einen Verlust von etwa 387,5 Mrd. Euro an Exporteinnahmen aus dem internationalen Tourismus bedeutet. Zum Vergleich: In der globalen Wirtschaftskrise 2009 betrug der Rückgang der internationalen Ankünfte -4,0 Prozent, die Einnahmen sanken um -5,4 Prozent oder um 88 Mrd. USD. In den letzten Wochen hat sich die prekäre Situation entschärft. Hatten im April 2020 noch 96 Prozent der internationalen Zielländer Reisebeschränkungen aufgelegt sind es mit Stand Mitte September 2020 "nur mehr" 53 Prozent.
Viele Ökonomen sagen eine V-förmige Wirtschaftserholung voraus: Auf eine rasche, heftige Krise folgt eine ebensolche Erholung. Einige Ökonomen prognostizieren dagegen eine U-förmige Wirtschaftserholung: Nach heftiger Krise und anschließender Stagnationsphase folgt die Erholung ( "... Runter geht es schnell und steil, hinauf aber langsam..."). Die internationalen Reiseströme dürften sich somit langsam erholen, d. h., für international ausgerichtete Destinationen dürfte sich eine längere Durststrecke abzeichnen. In Österreich wurden 2018/19 rund 74 % der gesamten Nächtigungen von Auslandsgästen getätigt. Sie kommen primär aus Europa bzw. den EU 28 Herkunftsländern (88 % der Auslandsgäste-Nächtigungen).
Wintersaison 2019/20
In Österreich wurden laut Statistik Austria in der Wintersaison 2019/20 (November 2019 bis Februar 2020) insgesamt 54,24 Mio. Nächtigungen registriert, davon zwei Drittel in den 315 Wintersport-Gemeinden (3 SB/SL und mehr). Im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres eine Zunahme um 4,6 %.
Die Nachfrage ist in den 62.100 Beherbergungsbetrieben Österreichs ab Mitte März 2020 zum Erliegen gekommen und erreichte bis Mitte März 2020 ein Nachfragevolumen von 6,16 Mio. Nächtigungen und somit insgesamt 59,68 Mio. im Winter 2019/20.
Der Hotellerie, den Pensionen und mietbaren Ferienwohnungen wurden per Verordnung des Gesundheitsministeriums ab
4. April 2020 jegliche touristische Nutzung untersagt.
Das bedeutet, dass die Tourismuswirtschaft in Österreich durch die Coronavirus-Pandemie verkürzte Wintersaison 2019/20 einen Ausfall von insgesamt 10,78 Mio. Gästenächtigungen verkraften musste (-18,15 %), der Großteil, nämlich 6,98 Mio.(-14,9 %), in den 315 Wintersport-Gemeinden, in denen im Winter 2019/20 laut amtlicher Seilbahnstatistik des BMVIT 17 neue Hauptseilbahnen, davon 10 Ersatzanlagen, in Betrieb genommen wurden.
Der Fachverband Seilbahnen der WKÖ schätzt die Investitionen für den Winter 2019/20 im Bereich der Seilbahninfrastruktur auf 408 Mio. Euro, das sind immerhin 54 % der Gesamtinvestitionen der Seilbahnbranche. Trotz des Nächtigungsrückganges von -14,9 Prozent in den 315 Wintersport-Gemeinden konnten hier die Einnahmen/Umsätze im Gesamtreiseverkehr der Wintersaison 2018/19 fast wieder erreicht werden (-0,31 %).
Rückblickend auf die witterungs-/schneemäßig sehr guten März- und Aprilwochen wären für die Zeit ab dem Lock down Mitte März 2020 nochmals richtig frequenz-/umsatzstarke Wintersporttage dringelegen und hätten den Kassenumsatz der Seilbahnen des Winters 2018/19 in der Höhe von 1,55 Mrd. Euro übertroffen.
Falsche Berechungen werden veröffentlicht
Irritierend ist diesbezüglich, dass
* laut einer Untersuchung der Beratungsgruppe Prodinger im Auftrag der WKÖ ein Verlust von -11,2 Mio. Winternächtigungen und -900 Mio. Euro Umsatz in der Wintersaison 2019/20 eingetreten ist. Laut Berechnungen des WIFO/der Statistik Austria musste aber ein Einnahmen-/Umsatzrückgang im Gesamtreiseverkehr in der Höhe von 1,84 Mrd. Euro (-16,9 %) in der verkürzten Wintersaison in Österreich verkraftet werden und
* die Wiener MarktforschungsGmbH Manova im Auftrag des Fachverbandes Seilbahnen der WKÖ im Vergleich zu den Vorjahren wiederum "nur" -8,1 Mio. weniger Gäste (Gäste-Ankünfte ?, Nächtigungen ?, Skier Visits inklusive Einheimische ?) errechnete (htr.ch vom 21 04 2020) und damit ihre vorhandene fachliche Durchschnittlichkeit mit falschen Berechnungen bzw. Spekulationen stetig unter Beweis stellt.
Beispiel Schweiz:
Die Schweizer Tourismusbranche muss, wie eine aktuell publizierte Umfrage ergab, für die Monate März bis Juni 2020 mit einem Verlust von 8,7 Mrd. Franken rechnen, es drohen Schließungen von 3.200 Tourismusbetrieben mit einem Verlust von über 30.000 Arbeitsplätzen (htr.ch, 01 05 2020). Im März 2020 betrug der Nächtigungsrückgang bereits -62,3 %.
Sommersaison 2020 ?
Unter der Annahme (Worst Case), dass für die gesamte Sommersaison (Mai bis Oktober) diese Sperre gilt, würde dies bedeuten, dass Nachfrageeinbußen von rund 79 Mio. Gästenächtigungen und Einbußen bei den Gesamteinnahmen im Reiseverkehr von etwa 14 Mrd. Euro in Österreich verkraftet werden müssen.
Stand 23 05 2020:
Ab 29 05 2020 können nun die Beherbergungsbetriebe, Seilbahnen und Freizeiteinrichtungen wieder öffnen. Dadurch kann die prekäre Situation der Tourismuswirtschaft Österreichs seit Mitte März entschärft werden bzw. das Hochfahren des Tourismus wieder beginnen.
In der Schweiz wurde von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) ein Rückgang der Wertschöpfung im Tourismus, neben dem Verkehr und Handel, von 15 bis 25 Prozent von März bis Juni 2020 berechnet ( htr.ch vom 06. 04. 2020).
Bemerkenswert ist: Das aktuelle Reiseverbot scheint den Menschen zunehmend zu verleiten, verstärkt ihren Urlaub fürs kommende Jahr zu planwn. So stiegen die Fluganfragen in Deutschland mit Stand 30.03.2020 um teilweise mehr als 100 Prozent im Jahresvergleich an (FVV, 30.03.2020).
Eine Mitte April 2020 publizierte internationale Studie dea Instituts Tourismus der HES-SO Valais-Wallis zeigt dagegen (Stichprobe von Personen aus der Schweiz sowie den neun wichtigsten Herkunftsmärkten für den Tourismus in der Schweiz und dem Wallis), dass 42 Prozent der Befragten ihre geplanten Reisen absagen mussten, 69 Prozent davon waren Urlaubsreisen. Nur 9 Prozent der Studienteilnehmenden gaben an, gegenwärtig einen Urlaub für die nahe Zukunft zu planen, die Reiselust ist erwartungsgemäß derzeit sehr gerng. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Bevölkerung gegenwärtig nicht bereit ist, von Reisen zu träumen oder gar Urlaube/Ferien zu planen (htr.ch, 16 04 2020).
Andererseits: In Krisenzeiten gewinnt immer die Nähe. Das Vertraute vermittelt gefühlte Reisesicherheit. Bald dürfte alles nur eine Erinnerung sein, neigt doch der Mensch in der mittel-/langfristigen Beurteilung immer zum Verdrängen und Vergessen.
Ob sich das bisherige Wohlbefinden der Urlaubsgäste in größeren/großen Mengen in unseren zahlreichen nutzungsintensiven Tourismus-Gemeinden (ITR-Tourismusreport 2/2020) reduzieren wird, kann derzeit nicht beantwortet werden. Wenn doch, muss und wird es wieder rasch aufgebaut werden.
Wo könnte die Sommer/Herbst-Reise 2020 hingehen ?
Ab 29 05 2020 kann laut BMLRT die touristische Tätigkeit unserer Tourismusbetriebe wieder aufgenommen werden. Dadurch können die ÖsterreicherInnen im Inland wieder kürzere/längere Urlaubsreisen unternehmen ("nachholen").Dafür bieten sich vor allem die mietbaren gewerblichen und privaten Ferienwohnungen/-häuser in unseren alpinen und außeralpinen Tourismus-Gemeinden an, um sich gemeinsam mit Familienangehörigen - ohne den Warteschlangen bei größeren Buffets mit dem einzuhaltenden nötigen Abstand (Social Distancing) wie in Hotels - zu erholen. Immerhin werden derzeit in 38.559 Ferienwohnungen/-häuser 321.600 Gästebetten, davon 176.769 auf Bauernhöfen, in dieser bisher überdurchschnittlich stark nachgefragten familiengerechten Unterkunftsart offeriert ( 29,8 % des Sommer-Gesamtangebotes).
Mit einem entsprechendem Marketing könnten die Österreicherinnen vor allem aus den großstädtischen Verdichtungsgebieten ihre bevorzugten Inlands-Destinationen für einen Sommer-/Herbsturlaub aufsuchen, sich in einer intakten, gesunden Umwelt entspannen, bewegen, erholen, gemeinsam Wandern oder Radfahren, regionale Naturprodukte/Schmankerln verkosten,... und damit auch der Tourismusbranche gemeinsam helfen.
In der Schweiz werden beispielsweise 40 Mio. Franken eingesetzt, um den Binnentourismus im Sommer und Herbst 2020 anzukurbeln (htr.ch, 06 05 2020).
Auch in Österreich werden nun zusätzliche 40 Mio. Euro vom Tourismusministerium bereitgestellt bzw. von der Österreich Werbung (ÖW) primär für Online-Kampagnen im In- und Ausland eingesetzt (Motto "Auf dich wartet ein guter Sommer. Entdecke Dein eigenes Land"), um die Nachfrage wieder hochzufahren, wobei für den österreichischen Städtetourismus (Wien und die Landeshauptstädte) eine spezifische Werbekonzeption ausgearbeitet wird.
Dies ist insofern verwunderlich, da der Städtetourismus zwar 18,6 % der 78,97 Mio. Sommernächtigungen 2019 Österreichs erzielte, mit 78,7 % einen höheren Nächtigungsanteil von Auslandsgästen aufweist (übriges Österreich 68,6 %), mit 290 Euro Gesamteinnahmen im Reiseverkehr beinahe doppelt so hohe Einnahmen pro Sommer-Gästenächtigung lukriert als der Durchschnitt der übrigen Marktsegmente, beim Ranking der am stärksten frequentierten Marktsegmente der Sommer Inlandgäste an 7. Stelle, der Deutschen Gäste an 5. Stelle und der übrigen Auslandsgäste immerhin an 2. Stelle steht und in den letzten fünf Sommersaisonen 2015-2019 mit einer durchschnittlichen saisonalen Zuwachsrate der Nächtigungen von +4,40 % die kräftigste Steigerung sowie auch die mit Abstand höchste Gästebetten-Auslastung mit durchschnittlich 113 Belegstagen (62 %) erreichte, für die übrigen Marktsegmente des Sommertourismus, z. B. für den Seentourismus, der ebenfalls 18,3 % des Sommernächtigungen 2019 Österreichs lukrierte, keine spezifischen Marketing-Aktivitäten bzw. diesbezüglichen Stützungsmaßnahmen vorgesehen sind.
Vor allem die überwiegend kleineren Beherbergungs(Familien-)betriebe im Berg-/Alpintourismus (Anteil der Betten in 3-/2-/1-Sterne Betrieben: 24,1 % bzw. 148.276 Sommer-Gästebetten 2019; durchschnittliche Betriebsgröße: 3-Sterne Betriebe: 43 Betten/Betrieb; 1-/2-Sterne: 25 Betten/Betrieb) mit ihrer im Durchschnitt niedrigsten Sommer-Bettenauslastung aller Marktsegmente und dadurch geringeren Liquidität sind bei der nun zu erwartenden Wettbewerbszunahme einem erhöhten Konkursrisiko ausgesetzt.
Belegsdauer der Gästebetten im Sommer 2019 in Tagen
Städtetourismus ges. 113
dav. Wien 118
übige Städte 104
Gesundheitstourismus ges. 81
davon Thermen 85
übriger Gesundheitstour. 73
Seentourismus 75
Weinstrassentourismus 73
Luftkurorte 69
Donautourismus 68
Kongress-/Tagungstourismus 65
Schutzgebietstourismus 58
Berg-/Alpintourismus 57
Österreich 67
Quelle: Statistik Austria; ITR-Datenbank und Bearbeitung
Zu berücksichtigen ist weiters, dass für Tourismusnachfrage die Konjunkturentwicklung und vor allem die Wirtschaftserwartung eine wichtige Rolle spielt. Die derzeitigen Erwartungen im Bereich der Arbeitsplatzsicherheit und der Einkommensentwicklung haben eine zentrale Steuerungswirkung darauf, wer wieviel für eine Urlaubsreise ausgibt. Eine als stabil wahrgenommene individuelle wirtschaftliche Situation ist somit eine wichtige Voraussetzung für eine ("nachgeholte") Urlaubsreise.
Angesichts der vielen offenen Fragen sind zur Zeit die Menschen verunsichert und haben noch wenig Lust auf eine Urlaubsplanung. Auf diesen psychologischen Effekt sollte/muss die Tourismusbranche eingehen und potenziellen Gästen die sicheren Erholungsmöglichkeiten in Österreich aufzeigen. Gleichzeitig müssen die ausländischen Herkunftsmärkte wegen der längeren Vorlaufzeit von mehreren Monaten vor dem Reisetermin schon bald wieder bearbeitet werden, da der internationale Wettbewerb um Urlaubsgäste massiv zunehmen wird.
Im ungünstigten Fall (worst case) flackert eine zweite Pandemie Welle im Herbst wieder auf, welche die Wintersaison 2020/21 gefährdet.
Beratungen für Tourismusbetriebe und -destinationen ? !
Situationsbedingt werden derzeit von touristischen Beratungsunternehmen für Beherbergungsbetriebe und Destinationsorganisationen spezifische Beratungen angeboten mit Problem-/Krisenlösungsvorschlägen eines Villacher Unternehmens wie
" innovieren Sie Abläufe in der Organisation,
stärken Sie die Seviceleistungen für Ihre Partner in der Destination,
Beschreiben Sie die Szenarien ganz konkret: Z.B.: Welche Auswirkungen gibt es auf die Besucherströme vor Ort ?
u.a.m.", die auch noch zusätzlich ins Netz gestellt wurden (www.seilbahn.net).
Aufgrund des vorhandenen hohen betrieblichen und regionalen Tourismus-Management Know how (Professionalität, Kreativität, Krisenbewältigungs-Kompetenz mit den für sie passenden Strategien) bzw. der überdurchschnittlichen internationalen Performance der österreichischen Tourismuswirtschaft sind diese kostenintensiven Beratungsleistungen bzw. fachlich höchst unqualifizierten Empfehlungen mehr als obsolet.
Die Überwindung der "1993er Rezession" - Ein Rückblick
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Tourismuswirtschaft Österreichs in der "93er Rezesion" einen massiven Rückgang der Nächtigungen im Sommer 1991 bis 1997 von 18,07 Mio. (-23,13 %) und im Winter 1992/93 bis 1996/97 von 5,25 Mio. (-9,7 %) verkraften musste. Diese Rückschläge waren in erster Linie auf Sonderfaktoren zurückzuführen. So verursachten die rückläufigen Netto-Realeinkommen in Westdeutschland, die Währungsabwertungen in einigen wichtigen Konkurrenzländern (vor allem in Italien) sowie der Einbruch der Flugtarife seit dem Höchststand 1991/92 massive Rückgänge der Nachfrage nach Österreich-Aufenthalte.
In dieser markanten Abnahmephase gab es aber eine beachtliche Zahl von Tourismus-Gemeinden/-Gebieten, die keine Nächtigungseinbußen zeigten. Eine im Auftrag des damaligen Wirtschaftsministeriums durchgeführte Studie (1) erfasste u. a. auch jene Erfolgsfaktoren, die in den Tourismus-Gemeinden/-Gebieten ohne Nächtigungsrückgängen in der "96er Rezession" ausschlaggebend waren.
Ab 1997 wurde von der Tourismuswirtschaft wieder eine quantitative und vor allem qualitative Aufwärtsentwicklung in die Wege geleitet bzw. die "Erfolgsstory Tourismus Österreich" neu gestartet. Die Qualitätsentwicklung in der Hotellerie ist nach dieser Krise beeindruckend. So wurde der Anteil der Hotellerie Betten in der 5-/4-Sterne Kategorie an der fast unveränderten Gesamtbettenzahl von 16,5 % im Sommer 2000 auf 25,2 % im Sommer 2019 angehoben und bereits 27,7 Mio. oder 35,1 % der gesamten Sommernächtigungen 2019 in Österreich verbucht.
Auch der Anteil der Betten in den stark nachgefragten familiengerechten mietbaren gewerblichen und privaten Ferienwohnungen/-häuser wurde von 21,3 % auf 29,8 % erhöht. In den letzten Saisonen wiesen laut der Statistik Austria dabei die gewerblichen Ferienwohnungen, Chalets und Appartements die höchsten Steigerungsraten auf (+8,3 % im Sommer 2019 bei einem Anteil von 7,4 % der Nächtigungen).
...mit sehr unterschiedlicher Entwicklung der Marktsegmente
Um eventuell Handlungshinweise zur derzeitigen Krisenbewältigung zu erhalten bzw abzuleiten, wurde der Frage nachgegangen, wann bzw. in welchem Zeitabschnitt die Marktsegmente des Sommertourismus mit ihren stark unterschiedlichen Angebots- und Nachfragestrukturen die 93-97er Talsohle der Nachfrage überwinden konnten.
Ergebnis:
Übersicht 1: Angebots- und Nachfragestruktur der Marktsegmente im Sommer 2019
Marktsegment Bettenangebot in % Nächtigungen in % 5-/4-Sterne Fewos Inländer Deutsche übr. Ausland
Städtetourismus 47,4 8,5 21,3 20,5 58,2
Kongress-/Tagungstourism. 30,6 29,9 29,4 41,5 29,1
Berg-/Alpintourismus 21,8 39,0 18,3 50,1 21,6
Gesundheitstourismus ges. 35,5 23,8 58,2 22,1 21,7
davon in Thermen 36,8 22,6 65,1 17,7 17,2
Luftkurorte 23,3 34,1 38,5 34,2 27,3
Seentourismus 24,1 31,5 37,3 39,2 23,5
Donautourismus 19,5 9,0 43,3 27,4 29,3
Schutzgebietstourismus 20,7 34,4 32,8 37,7 29,5
Weinstrassentourismus 26,5 12,6 64,3 17,0 13,7
Österreich 25,2 29,8 29,5 37,4 33,1
Quelle: Statistik Austria; ITR-Datenbank und Bearbeitung
Übersicht 2: Nachfragesituation und -entwicklung in der "93er" Rezession
Sommersaison
benötigte
Marktsegment Nächtigungs- erneuter Höchstand Saisonen
tiefstand
Städtetourismus 1995 1997 2
Kongress-/Tagungstourism. 1997 2012 15
Berg-/Alpintourismus 1997 2011 14
Gesundheitstourismus ges. 1997 2008 11
davon Thermen 1997 1998 1
übriger Gesundheitstourism. 1997 2010 13
Luftkurorte 1997 2019 22
Seentourismua 1997 2019 22
Donautourismus 1997 1998 1
Schutzgebietstourismus 1997 2006 9
Weinstrassentourismua 1997 1998 1
Österreich 1997 2003 6
Quelle: Statistik Austria; ITR-Datenbank und Bearbeitung
Von der Schweiz Tourismus, der nationalen Marketingorganisation, wird erwartet/befürchtet, dass der Nachfrageumfang von 2019 in eher fünf als in drei Jahren wieder erreicht wird (htr.ch vom 11 05 2020).
In Österreich rechnet die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) damit, dass sich die Hotellerie erst im Jahre 2022 vollständig von der Corona Pandemie erholt haben wird. In der Stadthotellerie werde es bis 2024 dauern, wobei vier von zehn Betrieben diese Dürrezeit voraussichtlich nicht überleben werden ("Die Presse" vom 19 06 2020, S. 22). Der Vorstand der ÖHV stellt nun öffentlich fest, dass es schlichtweg zu viele Hotelbetriebe gibt und schätzt die Überkapazität auf 30.000 Betten und fordert "... die längst fällige Marktbereinigung. Doch sie kommt nicht, weil sich viele Hotelliers die Steuer nach dem Zusperren nicht leisten können...".
Anmerkungen:
Bei insgesamt 577.900 Gästebetten in den 5/4/3/2/1-Sterne-Betrieben im Sommer 2019 (53,5 % von insgesam) würde die von der ÖHV geforderte Marktbereinigung um 30.000 Hotellerie-Betten (das entspricht 600 Betriebe mit 6.000 bis 7.200 Beschäftigten !) "immerhin" 5,2 Prozent betragen und damit das schon lang von der ÖHV identifizierte "Problem Überkapazität" beseitigen. Dies ist aufgrund der bisherigen lang-/mittel-/kurzfristigen Kapazitäts- und Auslastungsentwicklung (siehe Übersicht unten) schlichtweg falsch und schon fahrlässig eine solche irreführende Forderung an ihre 1.500 OHV-Mitgliedsbebtriebe während der Corona Pandemie zu stellen.
Weit positiver bzw. nachhaltiger wäre die Botschaft des Vorstandes der ÖHV an ihre Mitglieder und den übrigen Hoteliers in Österreich, dass der touristische Erfolg auf Betriebs-, Orts- oder Gebietsebene auch bzw. gerade in dieser schwierigen Zeit deutlich bestimmt wird
* vom überdurchschnittlichen Qualitätsniveau und der kontinuierlichen Verbesserung des gesamten touristischen Leistungsbündels,
* vom hohen Engagement der Unternehmer und Mitarbeiter,
* von der örtlichen/regionalen Kooperation/Koordination,
* von einer marktgerichteten, innovativen, erlebnisorientierten nachhaltigen Angebotsgestaltung, einem
* besonders kreativem Marketing (" kreative Angebote finden ihre Nachfrage"), von einer
* verstärkten Öffentlichkeitsarbeit, aber
sicher nicht durch Betriebsschließungen.
Umgekehrt gefährden in der derzeitigen Nachfragesituation markante Defizite/Schwachstellen in nur einem Bereich der lokalen/regionalen Tourismuswirtschaft einen erfolgreichen Neustart.
Betrachtet man die langfristige Gästebetten-Entwicklung in der Hotellerie (5/4/3/2/1-Sterne-Kategorie) in Österreich, so zeigt sich, dass sich seit dem Bettenhöchststand im Sommer 1991 die Kapazität bis zum Sommer 2019 um 104.901 Betten oder -15,36 % reduzierte und die Jahres-Bettenauslastung um 45 Tage oder um +38 Prozent auf 163 Belegstage im Tourismusjahr 2018/19 erhöht werden konnte - auch infolge der fast 18 prozentigen Nächtigungssteigerung im Zeitabschnitt Tourismusjahr 1990/91-2018/19.
Sommer Gästebetten in Auslastung
(Stand August) 5/4/3/2/1-St.Betrieben im Jahr
Index Tage %
1991=100
1981 671.293 98 107 29
1991 682.801 100 118 32
2001 621.470 91 131 36
2008 631.260 93 143 39
2014 573.628 84 149 41
2017 577.033 85 160 44
2019 577.900 85 163 45
Quelle: Statistik Austria
Die Nachfragetendenzen
in der Sommersaison vor der Corona-Pandemie bieten Hinweise, wie die Sommernachfrage nach der Pandemie in Österreich verlaufen könnte.
In den letzten fünf Sommersaisonen 2015 - 2019 erreichten die Marktsegmente des Sommertourismus mit ihren unterschiedlich hohen Auslandsgäste-Anteilen folgende durchschnittliche saisonale Zuwachsraten der Nächtigungen:
Nächtigungen % Ü Ausland
Camping-/Caravantourismus 7,03 % pro Saison .
Städtetourismus 4,40 % 78,69
Berg-/Alpintourismus 3,84 % 81,67
Kongress-/Tagungstourismus 3,46 % 70,58
Seentourismus 3,23 % 62,69
Weinstrassentourismus 2,91 % 37,92
Schutzgebietstourismus 2,42 % 67,16
Luftkurorte 2,39 % 61,52
Donautourismus 1,73 % 56,68
Gesundheitstourismus gesamt 1,02 % 43,78
Thermentourismus 0,48 % 34,99
übriger Gesundheitstourismus 2,01 % 60,99
Österreich 3,29 % 70,50
Quelle: Statistik Austria; ITR-Datenbank und Bearbeitung
Die Präferenzen
der Logiergäste aus den Hauptherkunftsmärktrn des Sommers 2019 sind unterschiedlich.
Ranking der "beliebtesten" Segmente (*)
Für die Logiergäste
aus dem Inland aus Deutschland übriges Ausland
1. Seentourismus 1. Berg-/Alpintourismus 1. Berg-/Alpintourismus
2. Berg-/Alpintourismus 2. Kongress-/Tagungstour. 2. Städtetourismus
3. Kongress-/Tagungstour. 3. Seentourismus 3. Kongress-/Tagungst.
4. Schutzgebietstour. 4. Schutzgebietstour. 4. Seentourismus
5. Gesundheitstourismus 5. Städtetourismus 5. Schutzgebietstour.
6. Luftkurorte 6.Gesundheitstour. 6. Gesundheitstour.
7. Städtetourismus 7. Luftkurorte 7. Luftkurorte
8. Donautourismus 8. Donautourismus 8. Donautourismus
9. Weinstrassen 9. Weinstrassen 9. Weinstrassen
Quelle: Statistik Austria; ITR-Datenbank und Bearbeitung
(*) gemessen an der Zahl der Sommernächtigungen 2019
Dieses aktuelle "Ranking" bzw. ITR-Monotoring des marktspezifischen Logiergästeverhalten hat sich in den vergangenen Sommersaisonen kaum verändert.
Mit Stand 18 07 2020 bestätigen sich diese Nachfragepräferenzen der Sommergäste auch in der laufenden Sommersaison 2020 in Österreich, nämlich
* eine vergleichsweise gute Gästebetten-Auslastung in den Kärntner Seengebieten, in den alpinen Wandergebieten, in den Thermen und an den Weinstrassen der Steiermark. Im Gegensatz dazu,
* eine laut WKÖ nur zehn bis 30 Prozent-Auslastung in der Hotellerie des Städtetourismus, obwohl die Zimmerpreise derzeit um 30 Prozent niedriger sind.
Tourismus-Sommersaison 2020
Laut Statistik Austria lag die Zahl der Übernachtungen in den vier Monaten Mai bis August 2020 mit 39,51 Mio. Nächtigungen um ein Drittel (-33,0 %) unter dem Vorjahresniveau. Der Rückgang der ausländischen Gästenächtigungen (-43,4 %) fiel dabei fast sechs mal stärker aus als jener für inländische Gäste (-7,4 %).
Große regionale Unterschiede
Mit -81,8 % war der Nächtigungsrückgang in der Bundeshauptstadt Wien infolge der sehr hohen Abhängigkeit von Auslandsgästen (83,4 %) am deutlichsten ausgeprägt.
In Niederösterreich (-39,9 %) musste trotz des hier dominierendem 62 %igen Inlands-Nächtigungstourismus, der in den letzten drei Sommersaisonen 2017 bis 2019 noch kontinuierliche Zuwächse erzielte, ein deutlich überdurschnittlicher Rückgang registriert werden, der nach Branchenmeinungen bei einer konsequenten Positionierung und einem proaktiven bzw. intensiveren inlandsgerichteten sowie kreativeren Tourismus-Marketing - eventuell unterstützt durch Bereitstellung von Gutscheinen bis hin zu anderen finanziellen Anreizen für Inlands-Nächtigungsgäste - während der Corona Pandemie eine wesentlich positivere Sommerbilanz gezeigt hätte als der Rückgang bei den Inlandsgästen im Mai bis August 2020 von immerhin - 26,0 % oder - 530.600 Nächtigungen gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 (zum Vergleich Kärnten: + 16,6 % bzw. +526.500 mehr Inlandsnächtigungen !). Mit dem überdurchschnittlichen Nächtigungsrückgang in der verkürzten Wintersaison 2019/20 von -760.500 (-25,9 %; Österreich: -22,0 %) reduzierte sich in Niederösterreich das Nachfragevolumen in den 3.300 Betrieben der Beherbergungsbranche bisher um insgesamt -2,080 Mio. Nächtigungen, das mit Einbußen bei den Gesamteinnahmen im Reiseverkehr des Landes in der Höhe von 270,4 Mio. Euro verbunden ist, bereits über ein Drittel der Jahres-Gesamteinnahmen ausmacht und damit zu historischen Verlusten führt.
Irretierend diesbezüglich ist, dass vom NÖ Wirtschafts- und Tourismuslandesrat und vom Chef der NÖ Werbung Anfang September 2020 gemeinsam über einem "...mega erfolgreichen Sommer in Niederösterreich,..erfrischend einmalig..." vor Medien berichtet wird (Bezirksblätter Niederösterreich, S. 38)), eine positive Information bei Nächtigungseinbußen in der Höhe von -1,32 Mio. in den Monaten Mai bis August 2020 gegenüber dem Vorjahr (siehe Übersicht unten). Mit einem Rückgang um 590.700 Nächtigungen im September 2020 liegen die bisherigen Nächtigungseinbußen bereits bei 1,91 Mio. An anderer Stelle (www.seilbahn.net) wird gleichzeitig in der Corona Pandemie auch über die bisherigen ökonomischen Erfolge der ecoplus Tochter NÖ-BBG und der Niederösterreich Bahnen für einen zukunftsfähigen regionalen Ganzjahres-Tourismus im Land informiert.
Die relativ geringsten Einbußen mußte Kärnten (-14,7 %) mit seinem dominierenden Seentourismus verkraften. In den 30 Gemeinden an den 14 Badeseen werden knapp über 70 Prozent des Sommernächtigungsvolumens des Landes erzielt. Mit 29 % der Sommernächtigungen auf Camping-/Caravanplätzen und 42 % Inlandsgäste-Nächtigungsanteil (Österreich-Durchschnitt: 30 %) werden hier nicht nur überdurchschnittlich hohe Nachfrageanteile erreicht sondern auch ein überdurchschnittlich hoher Gästebettenanteil in den seit vielen Jahren immer stärker nachgefragten familienfreundlichen gewerblichen und privaten Ferienwohnungen/-häusern (35,4 %) angeboten (Österreich: 29,8 %; NÖ: lediglich 8,3 % !), der die bisherige Sommerbilanz wesentlich beeinflußte.
Gästebettenanteil Sommer 2019
Bundesland in gew./priv. Ferienwohnungen/ in 5-/4- Sterne
-häusern in % Hotellerie
Vorarlberg 37,7 22,2
Tirol 36,8 25,1
Salzburg 36,3 23,4
Kärnten 35,9 20,0
Steiermark 25,8 20,9
Oberösterreich 15,1 21,2
Burgenland 13,7 30,0
Wien 10,5 49,9
Niederösterreich 8,3 23,4
Österreich 29,8 25,2
Quelle: Statistik Austria
Bei den Inlandsgästen zeigt sich eindrucksvoll, dass sie in der Pandemie-Sommersaison die gewerblichen und privaten Ferienwohnungen/-häuser bevorzugt als Unterkunftsform auswählten. Hier konnten nämlich die Inlandsnächtigungen von Mai bis August 2020 um + 41,2 % oder um + 689.200 auf insgesamt 2,361 Mio. Nächtigungen gesteigert werden, im September 2020 erhöhten sie sich sogar um + 84,0 % oder + 195.300 Nächtigungen ( in 5-/4-Sterne Betieben: + 15,3 %).
Bisherige Pandemie-Sommersaison 2020
Bundesland Nächtigungen Mai - August 2020
Veränderung gegen Vorjahr
in % in Mio. Inlands- Auslands-
insgesamt gäste in %
Wien - 81,8 - 5,43 - 61,5 - 85,6
Niederösterreich - 39,9 - 1,32 - 26,0 - 62,4
Salzburg - 32,8 - 3,51 - 0,6 - 42,2
Oberösterreich - 32,4 - 1,27 - 17,4 - 48,0
Tirol - 29,1 - 4,78 - 0,4 - 32,3
Vorarlberg - 24,8 - 0,75 - 6,7 - 27,5
Burgenland - 19,4 - 0,31
- 8,3 - 48,9
Steiermark - 18,2 - 0,98 - 3,9 - 38,4
Kärnten - 14,7 - 1,18 + 16,6 - 35,1
Österreich ges. - 33,0 - 19,48 - 7,4 - 43,4
davon in
5-/4- Sterne - 40,2 - 7,78 - 8,8 - 52,4
gewerbl. Fewos - 15,5 - 0,73 + 41,2 - 26,6
private Fewos - 15,4 - 1,04 + 41,2 - 24,1
Quelle: Statistik Austria
Nächtigungen September 2020
Veränderung gegen Vorjahr
insgesamt in % Auslands- Inlandsgäste in %
Wien - 75,1 - 81,6 - 42,7
Niederösterreich - 20,5 - 48,0 - 4,3
Oberösterreich - 13,5 - 29,1 + 0,4
Tirol - 8,9 - 12,1 + 15,9
Salzburg - 8,9 - 19,3 + 20,8
Vorarlberg - 2,2 - 4,2 + 10,8
Steiermark + 4,1 - 22,7 + 19,9
Kärnten + 14,5 - 7,7 + 45,9
Burgenland + 23,0 - 16,2 + 36,9
Österreich - 14,1 - 26,2 + 13,9
davon in
5-/4- Sterne - 20,3 - 34,3 + 15,3
gewerbl. Fewos + 24,7 + 11,3 + 88,5
private Fewos + 11,9 + 2,0 + 79,4
Zum Vergleich: In der Schweiz musste die Hotellerie im September 2020 Nächtigungsrückgänge gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres um - 28,1 Prozent verkraften, wobei sich die Inlandsgästenächtigungen um 20 Prozent erhöhten. Der Städtetourismus musste im September 2020 mit - 68 Prozent die höchsten Frequenzrückgänge hinnehmen.
Massives Umsatzminus im 2. Quartal 2020
Die Beherbergungsbranche Österreichs erlitt im 2. Quartal 2020 extreme Umsatzeinbußen, sie brachen um 72 % im Vergleich zum Vorjahrquartal ein.
In der Gastronomie wurde im selben Zeitraum um 53 % weniger umgesetzt.
(1) Fleischhacker, V. (1996 und 1997): Gewinner und Verlierer des Sommertourismus in Österreich 1992 - 1994 und 1994 - 1996. Eine Analyse der lokalen und regionalen Angebots- und Nachfragefaktoren sowie Erfassung der Erfolgsfaktoren. Auftraggeber: BMWA.
Neueste Kommentare